Was ist los mit (in) der SPÖ?

Parteichef Andi Babler darf vorne und gegenüber der Parteibasis und den neuen Mitgliedern „links“ reden, während die (alten) sogenannten SP-„Granden“ mit der ÖVP schon recht(s) packeln – in der Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung nach den Nationalratswahlen.

Ganz offen schadet Hans Peter Doskozil, der Babler bei zu wenig Zugewinn oder bei Stimmenverlust ein Abdanken nach der Nationalratswahl im September 2024 nahelegt. Doskozil selbst aber will nach der Burgenlandwahl im Jänner 2025 auch bei Stimmenverlusten bleiben und schließt eine Koalition mit der FPÖ nicht aus. Soweit so schlecht und rechts.

Aber nicht genug damit: Im Hintergrund agieren ex- und aktuelle SP-„Granden“ wie Androsch, Vranitzky, der Wiener Bürgermeister Ludwig gemeinsam mit Wirtschaftskämmerern, allen voran mit Wiener Wirtschaftskammer-Präsident Walter Ruck, oder der Bau-Holz-Gewerkschafts-Vorsitzende und SPÖ-Gewerkschaftschef (FSG) Muchitsch gemeinsam mit der (Bau-)Industrie für eine Koalition mit der ÖVP und NEOS. So wird z.B. in Medien der Wiener Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke als Vizekanzler ins Spiel gebracht. Oder: da trifft sich der sonst von der ÖVP so verteufelte Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker öffentlichkeitswirksam ohne inhaltlicher Notwendigkeit mit dem ÖVP-Wirtschaftsbundvertreter. Auch die NEOS-Führung spielt dabei eine Rolle und mit, ist sie doch in Wien Juniorpartner von Ludwig.

Die ÖVP selbst legt der SPÖ die Leimrute aus, indem sie abwechselnd betont, nach den Wahlen keinesfalls mit Kickl oder der Kickl-FPÖ koalieren zu wollen (Nehammer) oder gar insgesamt eine Koalition mit der FPÖ mit oder ohne Kickl ausschließt (wie zuletzt Parlamentspräsident Sobotka). Wer den schon so oft wortbrüchigen und nicht paktfähigen ÖVP-Granden nur ein Wort davon glaubt, ist selbst schuld und geht der ÖVP (wieder einmal) auf den Leim. Das ist dann vielleicht ärgerlich für die SPÖ-Spitzen, jedenfalls zum Schaden der arbeitenden Menschen in Österreich. Zwar sagen SPÖ-Spitzen offiziell, dass die ÖVP, sollte sie mit der FPÖ eine Mehrheit haben, jedenfalls eine Koalition mit der FPÖ eingehen würde. Hoffen tuen die SPÖ-Führenden (wieder) auf das Gegenteil, nämlich auf eine Regierungsbeteiligung mit den ÖVP-Gnaden. Und die ÖVP will selbst für den Fall, dass sie Dritter wird, schon wieder die SPÖ erpressen, indem die ÖVP bei einem allfälligen Zusammengehen mit der SPÖ, doch den Kanzler stellen soll, andernfalls die ÖVP eben mit der FPÖ koalieren würde. Diese Variante hat im EU-Wahlkampf einmal der ÖVP-Kandidat Lopatka mit Verweis auf die Steiermark angedeutet.  *

SP-Vorsitzender Babler betont zwar bei jeder Gelegenheit, zuletzt ganz intensiv beim Mitmachkongress Ende Juni, dass er nur ein Ziel habe, nämlich: Erster zu werden. Doch die SP-internen Machenschaften im Hintergrund gehen von einem anderen Ausgang aus, wenn sie SP-Hanke als Vizekanzler ins Spiel bringen. Das ist erstens gegen Babler gerichtet, der dann bestenfalls Parteichef ohne Macht bleiben darf/soll und verteilt im Hinblick auf eine erhoffte Koalition mit ÖVP und NEOS die Felle vor dem Erlegen des Bären. Manche fragen sich da zurecht: wozu noch wählen gehen? Gewollt oder ungewollt hat das der SPÖ-Altbundespräsident Fischer ausgesprochen: er meinte, dass der amtierende Bundespräsident Van der Bellen für den Fall, dass die FPÖ Erster werde, eine Expertenregierung einsetzen solle. Das heißt, in Wirklichkeit wird der SP-Parteivorsitzende von seinen eigenen Spitzenleuten im Regen stehen gelassen. Trotzdem spielt Balber mit, indem er dazu schweigt, statt die Machenschaften aufzuzeigen – nur so kann er den Sumpf trocken legen und Wähler:innen gewinnen. Nur eine Koalition mit der FPÖ auszuschließen ist zu wenig, ja weil eigentlich selbstverständlich.

Das alles arbeitet erst recht den Rechten, sowohl der ÖVP, aber vor allem der FPÖ in die Hände, die beide zudem in den Medien gegenüber der SPÖ hochgeschrieben werden. Dass die FPÖ kein Freund der parlamentarischen Demokratie ist, zeigt sie tagtäglich. Für die FPÖ ist das Parlament, wie auch bei der EU-Wahl, genauso nur ein Sprungbrett, um weiter und wieder zu mehr Macht und Posten zu kommen wie ja schon ein paar Mal in Regierungsbeteiligung (1983 – 1986, 2000 – 2006, 2017 – 2019) zu sehen war. Was das den arbeitenden Menschen gebracht hat, zeigen die Ergebnisse, z.B.: ÖVP-FPÖ-Pensionsreform 2003 mit Kürzungen von 30% gegenüber davor, mit Eurofighter-Kauf, mit ÖVP-FPÖ-Bestreben von VP-Schüssel und FP-Scheibner Österreich in die NATO zu führen („Neutralität gehöre ins Museum wie Mozartkugeln“), mit dem Ausverkauf der Verstaatlichten Industrie oder 2018 Einführung des 12-Stunden-Tages und der 60-Studnen-Woche oder der Umfärbung und „Neustrukturierung“ der Sozialversicherung, wodurch die Unternehmer die Macht in der Krankenkassen und über die Verwendung Sozialversicherungsgelder der Arbeiter und Angestellten erhielten und die Privatisierung des Bereiches in das Gesetz schrieben. Effekt: Verknappung des Gesundheitsangebots, längere Wartezeiten und mehr Selbstbehalte z.B. durch die Zunahme der Wahlärzte.  Die mit der Umstrukturierung und Umfärbung der Krankenkassen versprochene „Patientenmilliarde“ gab und gibt es nicht. Im Gegenteil: allein die Neustrukturierung der ÖGK kostete bislang mehr als 200 Mio. Euro. Auch die FPÖ ist also – entgegen ihrer Eigenpropaganda vor den Wähler:innen, – den Unternehmen und Konzernen zu Diensten. Die Bevölkerung erwähnt auch die FPÖ nur in Worten vor Wahlen. In Wirklichkeit sind auch der FPÖ die arbeitenden Menschen völlig egal, nur als Stimmenbringer für Posten wichtig. Weitere Beispiele: Vermögen der Reichen besteuern oder Klimaschutz, der vor allem den Kleinen nützen würde, weil ihn die Großen und Konzerne verursachen, dies alles und noch viel mehr will die FPÖ nicht. Das freut die Großkopferten und Konzerne. Deshalb wird die FPÖ auch immer unverhohlener auch von Wirtschaftsbossen und Industrie wohlwollen bewertet, protegiert und von den Medien, die ja ebenfalls in Besitz von großen Konzernen (z.B. deutsche Funke-Gruppe, deutscher Springer-Verlag, Raiffeisen usw.) sind, hochgeschrieben . Diesen Kreisen ist egal wie rechts-radikal die FPÖ ist und egal wie die Gesellschaft durch FP- oder ÖVP-Hetzte gegen andere Menschen und anders Denkende absichtlich immer mehr gespaltet wird. Denn die Spaltung der Gesellschaft, die Zerstörung von Zusammenhalt und Solidarität ist auch in ihrem Interesse, im Interesse der herrschenden Wirtschaftskreise, wollen sie doch noch mehr Profit aus den arbeitenden Menschen schlagen – und da ist ihnen immer mehr die von ihnen selbst in Sonntagsreden beschworene Demokratie im Weg. Zuerst die innerbetriebliche Demokratie (Betriebsräte, Gewerkschaften, AK, ja selbst eine „brave“ SPÖ) und dann die parlamentarische Demokratie, die immer weniger ihre autoritären Profitmaximierungen gewährleisten kann. Zuletzt sollen Handels-, Wirtschafts- und echte Kriege die Profite der Konzerne und Multis sichern. Doch Kriege lassen sich – wie man aktuell in der Ukraine, in Russland, Israel usw. sieht – nur durch Kriegsrecht, also durch Ausschaltung der Demokratie, durchsetzen.

Statt die vielen richtigen Themen im Interesse der arbeitenden Menschen zu trommeln und nochmals zu trommeln und damit tatsächlich hinaus zu den Menschen zu gehen und die Mühen der Eben nicht zu scheuen wie es anfangs ja Babler gemacht hat, geschieht dies trotz Wahlkampfzeiten bislang sichtbar wenig.  Stattdessen wird dauernd auf die Medienberichterstattung geschielt, was die Medien erwarten und bringen würden und von oben herab immer „diplomatischer“ bis nichtssagend gehandelt. Bleibt das so, brauchen ÖVP und FPÖ gar nicht viel tun, nur zuwarten.

Wer glaubt, dass die (früheren) und künftige SPÖ-Wähler:innen schnell und nur aus wahltaktischen Gründen, weil Babler Erster werden will, zurückkehren, macht die Rechnung ohne dem Wirt. Die SPÖ hat eine Bringschuld. Die Menschen (wieder) zu gewinnen braucht Zeit und Gemeinsamkeit. Das geht nicht von heute auf morgen. Beide dieser Sichtweisen scheinen bei den gegenwärtigen SP-Spitzen weder in Partei, noch Gewerkschaft, noch AK vorhanden zu sein. Die einen wollen so schnell wie möglich wieder in die Regierung, die anderen aber denen, die dort hinstreben, das selbst nicht vergönnen. Auf der Strecke bleiben Idee, Programm, Solidarität und vor allem die arbeitenden Menschen – wenn diesem Machtspiel-Treiben nicht von unten und/oder von innen heraus gemeinsam und selbständig Widerstand und Tatkraft entgegengesetzt wird.

Nur wenn die SPÖ, wenn Babler, die parteiinternen Quertreiber statt zu schonen offensiv und mit Hilfe der Basis benennt, zur Rechenschaft zieht und zurechtweist würde, hätte er eine Chance die Basis und Nichtwähler:innen zu mobilisieren. Ebenso und vor allem dann, wenn er die Themen, die die Menschen tatsächlich betreffen und bewegen offensiv anspricht. Warum zum Beispiel wird das Thema Neutralität und Sicherheit völlig den Rechten, der ÖVP in der Regierung und der FPÖ in der Opposition, überlassen? Das ist umso unverantwortlicher als die FPÖ nicht nur bei der Neutralität ein Wolf im Schafspelz ist, der von Neutralität redet, aber in Wirklichkeit auch für die EU-Kriegsunion eintritt (siehe dazu den Beitrag „FPÖ für die EU-Kriegsunion in unserer Solidaritäts-Zeitung Nr. 3, Juli 2024: Zeitung_Soli_3-24_end_HP.pdf (prosv.at) ). War nicht früher die SPÖ  d i e  Neutralitätspartei? Ist nicht gerade in Kriegszeiten die Verteidigung und der Ausbau der immerwährenden Neutralität wichtiger denn je? Warum distanziert sich die SPÖ nicht ausdrücklich von dieser EU/NATO/USA-Kriegspolitik zum Schaden der Neutralität und Sicherheit Österreichs?

Wie sagte die SJ (Sozialistische Jugend) anlässlich der innerparteilichen Urabstimmung zum Parteivorsitz voriges Jahr: „Echte Mitbestimmung – Jetzt die Basis an die Macht“.

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* In der Steiermark hat 2015 die ÖVP erinnerlich seinerzeit genau dieses Erpresser-Machtspiel betrieben. Dort hatten sowohl ÖVP und SPÖ bei der Landtagswahl 2015 massiv an Simmen verloren, SPÖ, ÖVP und FPÖ lagen praktisch gleichauf. Die SPÖ mit Landeshauptmann Voves blieb aber knapp Erster. Um die SPÖ in der Landesregierung zu halten, trat Voves zurück und überließ ÖVP-Schützenhöfer den Landeshauptmann, damit die ÖVP nicht mit der FPÖ, sondern mit der SPÖ als Juniorpartner weiterregiert. Hintergrund, siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Landtagswahl_in_der_Steiermark_2015

 

 

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