MAN-Steyr: Ende gut, alles gut?

Hört man die Aussagen vom neuen Firmeneigentümer Siegfried Wolf – „Keine Kündigungen“ im LKW-Werk Steyr, sah man die Pressekonferenz im Werk von Landeshauptmann Stelzer mit Investor Wolf zur Kurzarbeit knapp vor der oberösterreichischen Landtagswahl (wo war der Landeshauptmann eigentlich die Monate davor?) und berichteten Medien und redeten auch SPÖ und
ÖGB davon, dass jetzt das Werk gerettet sei, dann könnte man das als Außenstehender glauben – und soll das auch glauben und zur Tagesordnung übergehen.

Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?

Der VW-MAN-Konzern hat Steyr fallen gelassen, weil er in Polen in Zukunft billiger erzeugen will. Ein Standortsicherungsvertrag bis 2030 für Steyr wurde von MAN einseitig bereits 2020 gekündigt. Wäre die Verpflichtung daraus in Kraft getreten, hätte der VW-MAN-Konzern 1,5 bis 2 Milliarden Euro bezahlen müssen. Das wollte MAN-VW um jeden Preis verhindern und schickte Investor Wolf als möglichen neuen Eigentümer des Werkes vor. Wolf ist engstens mit VW verbandelt. Die Übernahme durch Wolf sah nicht nur die Kündigung der Hälfte der Belegschaft und 15% Lohnkürzungen vor, sondern auch den „freiwilligen“ Verzicht der Arbeiter auf ihre Ansprüche aus der Standortsicherung. Dem sollten die Arbeiter in einer Abstimmung auch noch selbst
zustimmen. Das lehnten die Steyr-Beschäftigen in einer Urabstimmung mit zwei Drittel Mehrheit ab. Daraufhin erhöhte VW-MAN, Wolf und die Politik den Druck auf die Steyr-Arbeiter, verkaufte VW-MAN das Werk an Wolf. Die Belegschaft wurde nicht mehr gefragt, eine zweite Niederlage wollte man sich nicht einhandeln.

Statt gemeinsam mit der Belegschaft, mit der breiten Ablehnung der VW-MAN-Wolf-Machenschaften im Rücken zu kämpfen, boten sich SPÖ- und Gewerkschaftsspitzen, Landesrat, Lan-deshauptmann und Betriebsratsspitzen als „Vermittler“ an, Wolfs „Konzept“ den Arbeitern als alternativlos schmackhaft zu machen. Das hieß dann „Nachbesserungen.

Für das bloße Versprechen einer Fortführung des Werkes – jetzt als Steyr Automotive – verlangte Wolf
• massive Lohn- und Gehaltskürzungen
• Kündigung von rund 500 Arbeitern mit Sozialplan, die er aber
noch für ein bis zwei Jahre befristet braucht, weil Wolf weiter
für MAN produziert – jetzt halt nur viel billiger auf Kosten der
Steyr-Arbeiter
• Bis zu 10.000 Euro Prämie für all jene, die einer Änderungskündigung mit Lohn- und Gehaltsverzicht zustimmen und damit auf alle Ansprüche verzichten, die aus
der von VW-MAN einseitig gekündigten Standortsicherung und
den daraus allenfalls verpflichtenden Kündigungszahlungen (in
Summe 1,5 bis 2 Milliarden Euro) entstehen, die Wolf mit allen
Rechten und Pflichten bei Kauf des Werkes übernommen hat.

Ende September hat Wolf dann verkündet, dass Sozialplan und Änderungskündigungen unter Dach und Fach seien und gleichzeitig zum Start der Steyr Automotive Kurzarbeit angekündigt, beantragt und bewilligt bekommen. Neue Aufträge werden Belegschaft und Medien weiter in Aussicht gestellt, Fix ist noch nichts außer, dass für VW-MAN eben noch ein bis zwei Jahre produziert wird. Was nach 2023 kommt, steht nach wie vor in den Sternen.

Wie wir aus den publik gewordenen Chat-Protokollen des Ex-ÖBAG-Chef Schmid wissen, hat Ex-Kanzler Kurz diesem geschrieben: „Kriegst eh alles was du willst“. Ob und wenn ja, welche Chats es zwischen VW-MAN, ÖGB, PRO-GE, GPA, SPÖ, FPÖ, NEOS und Wolf gab, wissen wir nicht. Aber der Kurz-Freund Wolf könnte nach dem VW-MAN-Deal, nach der Ausrufung der „Rettung von Steyr“, nach dem Erreichen des „freiwilligen“ Verzichts der Steyr-Arbeiter auf ihre Ansprüche aus dem Standortsicherungsvertrag, an VW-MAN und Kurz gechattet haben: Vielen Dank, haben alles bekommen, was wir wollten.
Denn:
„Der Vertrag zwischen MAN und Wolf ist ein klassischer Fall eines Vertrages zu Lasten Dritter – nämlich der Arbeitnehmer …  … Der große Gewinner ist der VW-Konzern, der nun eine Milliarden-Verbindlichkeit los ist und Wolf nur einen Bruchteil für die Übernahme der Verbindlichkeiten (informell hört man von bis zu 400 Millionen Euro) und zusätzlich das Werk gibt.
Zweiter Gewinner ist Wolf, der von VW ein Werk gratis plus einen dreistelligen Millionenbetrag erhält. Er kann auch, wie schon seinerzeit unter Frank Stronach Steyr-Daimler-Puch, nun das MAN-Werk in Steyr filetieren.“
(Franz Nauschnigg, b is Mai 2019 Abteilungsleiter für Integrationsangelegenheiten und Internationale Finanzorganisationen in der Österreichischen Nationalbank/OeNB in der Wiener Zeitung, 29. Juli 2021).

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Eindrücke von unserer Solidaritätsaktion bei MAN-Steyr
Wir vom „Österreichischen Solidaritätskomitee“ haben im Juli zur Betriebsversammlung im Werk Steyr unser Flugblatt „Wir für Steyr – Solidarität ist unsere Stärke! Widerstand ist unsere Chance!“ verteilt (zu finden auf unserer Homepage  www.prosv.at).

Dabei bemerkten wir neben Zuversicht und Hoffnung auch Zweifel oder gar Resignation. Die Betriebsversammlung selbst wurde dann eher als  alternativlose Wolf-Show, die die Beschäftigten vor vollendete  Tatsachen stellt, abgewickelt. Nach der Versammlung  gingen viele wortlos aus dem Werk. Kein Wunder. Viele haben Ausgaben und Schulden, bauen ein Haus, sind auf den Job hier angewiesen. Da ist man dann schon  bereit die Krot zu schlucken. Ob man den Einzelvertrag mit  dem Verzicht auf alle Ansprüche, einer ungewissen Zukunft für  einmalig bis zu 10.000 Euro unterschreiben soll? Da fühlten  sich viele alleine gelassen. Die weiteren „Infos“ wurden dann  von der Firma verbreitet (Flyer), ohne schriftlichen Kommentar seitens der Belegschaftsvertretung. Danach wurde die Belegschaft in Betriebsurlaub geschickt – und wieder alleine  gelassen.

Zuvor haben auch Gewerkschaft und SPÖ – die Blauen, die ÖVP  und Wolf selbst sowieso – verbreitet, dass die Steyr- Arbeiter ja auch mit den Lohn- und Gehaltskürzungen eh noch  1/3 über dem Kollektivvertrag liegen und damit auch böses Blut in der Bevölkerung provoziert. Solidarität zwischen Beschäftigten und Bevölkerung erzeugen schaut anders aus.

Als dann, nachdem schon viele unterschrieben hatten, auf einmal Alois Stöger von der PRO-GE verkündete, dass keiner unterschreiben solle, wolle er seine Ansprüche wahren, wirkte das auf viele wie eine Verhöhnung. Zuvor wurde ja eher verbreitet, dass man juristisch kaum Erfolg haben werde und  ist  auch vom Betriebsrat keine Feststellungsklage eingebracht  worden.

Bei Auftritten mancher Belegschaftsführer konnte man mitunter  glauben, eher einen Firmensprecher als einen Belegschaftsvertreter vor sich zu haben. Manchmal konnte man  den Eindruck gewinnen, dass sich Wolf neben seinem offiziellen  Firmensprecher auch die eine oder andere Betriebsratsspitze als Sprachrohr hält. Kein Wunder, dass nicht  wenige Arbeiter auf den ÖGB und manche Betriebsräte  angefressen sind. In der Belegschaft macht sich Fatalismus, Missgunst und Misstrauen breit. Politiker waren auch nur da,  als Wahlkampf in Oberösterreich war: ÖVP-Landeshauptmann  Stelzer bei der Wolf-Pressekonferenz, bei der Verkündigung der Kurzarbeit, mit der Wolf seine „Steyr Automotive“ startete. Die SPÖ hielt ihren Wahlkampfauftakt am Hauptplatz in Steyr ab.

Wie schon für Covid, fließen jetzt mit der Kurzarbeit wieder  Steuergelder an das Werk. Die Arbeiter, die jetzt nur 80% vom  noch MAN-) Lohn bekommen, die sie sich ja über die  Steuergeldfinanzierung der Kurzarbeit in Wirklichkeit selbst  bezahlen, sollen sich damit gleich auf die dauerhafte Wolf-Gehaltskürzung einstimmen.

MAN-Steyr: Ende gut, alles gut?